Roland Kaiser

Roland Kaiser

Vorausgesetzt, man mag überhaupt deutsche Popmusik, dann kommt man um Roland Kaiser nicht herum. Er war schon immer prägend, was vor allem erotische deutscher Popmusik betraf, ist aber in letzter Zeit noch insbesondere durch sein politisches Engagement richtig bedeutsam geworden und hat in dieser Hinsicht insbesondere mit seinem Song „Liebe kann uns retten“ fast schon Kultstatus erreicht. Seine Musik ist in einem sehr positiven Sinne gute deutsche Volksmusik. Und die Zahl seiner Fans geht in die Millionen.

Aufregend sind seine Texte, an denen er angeblich selbst arbeitet. Es geht an sich immer nur um das eine, um körperliche Liebe, um Sex und Erotik. Und dies nicht im Sinne von Schmuserei und Kerzenschein, sondern fast immer auch aufgreifend die Irritationen und Krisen, die das sexuelle Bedürfnis auslöst. Eine heile Welt bieten seine Texte eigentlich nicht, aber die Musik überdeckt dies und fordert – so soll er es selbst formuliert haben – unmittelbar zum Sex heraus. Insofern hat seine Kunst durchaus etwas Pornographisches – mit viel Zuspruch. Lebt eure Sehnsüchte aus, auch wenn das gefährlich sein kann! Bisweilen baut er dann noch Schutzwälle ein, so wie bei dem großen Hit: „Manchmal möchte ich schon mit dir“.

Kaiser beschwört mit seinen Texten eine Macht, die die Menschen schon immer im Griff gehabt hat und die, wer würde es bestreiten, mit höchsten Genüssen und wahnsinnigen Gefühlen von Einheit und Erfüllung einhergehen kann. Selbst der so extrem nüchterne Max Weber hat die Erotik als eine Macht gefeiert, die der Religion Konkurrenz machen kann, da in ihr symbiotische Erfahrungen mit dem Ganzen der Welt möglich werden, die es sonst eine nur in der Begegnung mit dem Heiligen gibt. Genau dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum im Christentum Erotik und Sex stets mit Vorsicht wahrgenommen oder eben sogar mit Verve ausgegrenzt wurden. Besonders eindrücklich lässt sich dies in den berühmten „Bekenntnissen“ von Augustín nachvollziehen. Er beschreibt ausführlich sein ausschweifendes Sexleben vor seiner Bekehrung und es wird deutlich, wie sehr er den körperlichen Kontakt mit seiner Konkubine genossen hat. Aber dann bekehrt er sich zum Glauben an Jesus Christus und verzichtet, um diesen Glauben wirklich rein leben zu können, auf jede Form körperlicher Liebe. Spätestens von da ab sprach sich im Christentum rum, dass körperliche Liebe mit Sünde zu tun hätte und es entwickelte sich die bekannte körperfeindliche Praxis dieser Religion. Erst seit den sechziger Jahren hat sich daran langsam etwas geändert.

Es ist gut, dass sich dies geändert hat. Denn der Verdacht, dass die Unterdrückung der Erotik, die im Übrigen nie wirklich komplett vollzogen werden konnte sondern sich in vielfältigen Darstellungen von Maria oder auch von höchst erotischen Christusbildern sublimierte, eigentlich gar nichts mit dem Glauben an Gott sondern viel eher mit der Macht der Kirche zu tun hat, die sich über zölibatär lebende Männer sehr viel leichter aufbauen lässt als über Familien, ist nicht aus der Welt zu schaffen. Viel nahe liegender wäre es doch eigentlich, Aphrodite und Adonis Plätze in der Kirche und in der christlichen Religion ein zu räumen und ihre Macht gerade dadurch zu domestizieren, dass sie in den Dienst dieses Jesus Christus, der so unerotisch ja gar nicht dargestellt wird, genommen werden.

In den heidnischen Kult kann die körperliche Vereinigung ein heiliges Ritual sein. Genau damit wird dieser Akt gefeiert und dadurch zivilisiert. Geradeso kann verhindert werden, dass die Erotik ihre zerstörerischen Kräfte hemmungslos freisetzen kann. Diese Kräfte hat sie zweifellos und kann damit unendliches Leid über die Menschen bringen. Die Liebe kann auf diese Weise die christliche Form der Ehe und damit tragende Beziehungen von Menschen zerstören. Genau das spricht Roland Kaiser in seinen Liedern ja auch an. Wer sich der Kraft Erotik aussetzt geht folglich ein Risiko ein und sollte darum wissen.