Wie Geschöpfe leben
Wie Geschöpfe leben
Die Antwort des christlichen Glaubens auf die Bedrohung des derzeitigen ökologischen Gefüges besteht in der Rückkehr zu der grundlegenden Glaubensüberzeugung vom Schöpfertum Gottes und damit zu der Aufforderung, diesen Glauben auch zu leben, d.h. wie Geschöpfe Gottes zu leben. Selbst säkularisiert lässt sich dieser Gedanke noch dahingehend nachvollziehen, dass der Mensch eben so wie seine gesamte Umwelt geschaffen ist – und d.h. nicht durch sich selbst konstituiert sondern von externen Kräften fundamental abhängig ist. Die Christen würden dies als Gottes Macht bezeichnen – andere das Ganze mit der Kraft der Natur bzw. der Evolution in Verbindung bringen. Auf jeden Fall ist das fundamentale Eingefügt – Sein des Menschen in von ihm nicht gestaltbare größere Zusammenhänge von entscheidender Bedeutung und damit eine beträchtliche Demut, was seine eigenen Möglichkeiten anbetrifft.
Dennoch ist diese Sicht natürlich viel zu einfach, denn der Mensch bleibt auch als Geschöpf in spezifischer Weise für die Schöpfung verantwortlich. Genauer gesagt: er bleibt für die Wahrnehmung seiner Rolle in der Schöpfung verantwortlich. Sofern er sich selbst nicht mehr als Geschöpf sondern selbst als ihr Schöpfer wahrnimmt überhebt er sich und verstößt gegen sie. Er hat einen Spielraum der Verantwortung – nicht für alles – aber denn doch für seine Lebensräume. Dass er diesen Spielraum wahrnehmen kann, hängt an der Entwicklung seiner Fähigkeiten, die als Produkt der Evolution verstanden werden können aber auch christlich schon von der Schöpfungsgeschichte her als seine Einsetzung in eine Art Mitschöpfertum mit Gott. In dieser Hinsicht hat er Züge des Gottgleichen, die seine Würde aber auch seine Fragilität ausmachen.
Was sein Eingefügt – Sein in die Schöpfung und seine Rolle als Co – Kreator Gottes (was zwingend auch bedeutet: als Mitzerstörer Gottes) anbetrifft so impliziert sie eine spezifische Wahrnehmung der Schöpfung Gottes als einer Wirklichkeit, die um ihrer selbst willen geschaffen wurde und nicht in toto dem Nutzen des Menschen unterworfen werden sollte. Die Schöpfung Gottes stellt in der biblischen Tradition, erneuert durch das Handeln Jesu in den Evangelien, eine unermessliche Fülle dar, in der das Leben der Menschen grundsätzlich gesichert ist. Es ist nicht der Mangel, der diese Schöpfung prägt, sondern es ist die Fiktion einer „Plenitude“ Gottes, aus der allen alles zukommt. Sie ist noch in der überwältigen Autoproduktivität der Natur gut zu erkennen. Und zudem ist ihre überwältigende Schönheit das zentrale Zeichen ihrer göttlichen Abkunft. In diese Fülle sind die Menschen eingegliedert; sie können und müssen diese Fülle natürlich an vielen Stellen gestalten und umsichtig verbessern. Das gehört zu ihrer Aufgabe als Mitschöpfer. Insofern ist die Schöpfung nach wie vor ein Prozess und noch lange nicht fertig.
Die gegenwärtig dominierende Wirtschaftsverfassung der Welt, der Kapitalismus, verhält sich zu dieser Plenitude prinzipiell parasitär. In stillen Momenten kommt es zwar vor, dass die kapitalistischen Akteure die Schönheit dieser Schöpfung so wie alle anderen auch genießen wollen. Im Kern aber nutzen Sie die Möglichkeiten der Schöpfung für ihre Zwecke und negieren durch ihr praktisches Handeln jede Fülle. Ihr Lebensprinzip ist die alternative Fiktion der Knappheit – aus deren Bewirtschaftung es dann allerdings gelingt. eine Art gewaltiger sekundärer Fülle an Gütern zu schaffen, die die primäre Schöpfung überlagert. In einer weltgeschichtlich schlicht einfach als grandios zu bezeichnenden Entwicklung nimmt der Kapitalismus die weitere Entwicklung der Schöpfung in die Hand und schafft es zumindest in einigen Ländern und für einige Menschen Zustände wie im Paradies zu schaffen. Faktisch geschieht dies durch Inkaufnahme von massiven Exklusionen – Armut, Ausbeutung, Abfall. Prinzipiell aber ist dieser Wirtschaftsweise anscheinend keine Grenze gesetzt – außer der der Grenzen der natürlichen Ressourcen. Ihr wirklicher Gegenstand sind jedoch nicht diese Ressourcen sondern es ist die Fantasie und es sind die Sehnsüchte der Menschen, mit denen sie ihr Geld verdient. Auch die Schönheit der Schöpfung kann entsprechend immer weiter vermarktet werden.
Angesichts dieser Entwicklung bleibt die Frage nach der tatsächlichen Bedeutung des Geschöpfseins als Kriterium eines verantwortungsvollen Lebens. Sie kann sich nicht darin erschöpfen, die ursprüngliche Schöpfung in irgendeiner statischen Form als zu erhalten zu proklamieren. Die Formel von der Erhaltung oder Bewahrung der Schöpfung ist insofern irreführend. Nichts unterliegt tagtäglich dermaßen gravierenden Veränderungen wie eben diese Schöpfung Gottes. Es kann nur darum gehen, den je eigenen Anteil an ihr so zu gestalten, dass das Leben unbeschädigt weiter gehen kann. Genau das ist auch die Aufgabe von Akteuren in der kapitalistischen Wirtschaft. Dabei muss allerdings gesehen werden dass sich deren Blick und damit deren Interesse unter den Bedingungen kapitalistischer Konkurrenz und kapitalistischer Märkte notwendigerweise immer und ausschließlich auf die Vitalität ihrer eigenen Unternehmen richten muss. Ein kluges Handeln sieht jedoch das eigene Unternehmen selbst stets als eingebettet seine Umwelt.