Double Bind

Double Bind

Die Realisierung des christlichen Glaubens als eines Lebens mit Gott hat die Form einer Dreierbeziehung zwischen mir, dir und dem ganz anderen. Solch ein Verhältnis kann sich allerdings als klassische Doppelbindung (Double Bind) entwickeln, indem die machtvolle Autoritätsperson, also Gott, einen hohen Druck auf das Opfer, auf mich oder auf dich oder uns beide, ausübt, dem wir nicht entkommen können. Wikipedia erklärt: „Im sogenannten normalen Abhängigkeitsverhältnis kann ein Autoritätsperson Befehle erteilen, die Einfluss auf das Verhalten des Opfers ausüben, bei Doppelbindungs – Beziehungsmustern beinhaltet die Beeinflussung auch die Art der Selbstwahrnehmung, die das Opfer von sich hat.“ „Das Opfer wird nicht nur gehorchen, sondern es hat auch nicht die Erlaubnis, sich selbst als Opfer wahrzunehmen, und erst recht nicht die Erlaubnis, den Täter als Täter wahrzunehmen. Die Autoritätsperson bestimmt also auch, wie sie vom Opfer erlebt werden will. Sie bestimmt das Bild, dass sich das Opfer von ihr machen muss.“ Die Dreierbeziehung wird zu einer einseitig definierten totalitären Beziehung.

Derartige Beziehungsstrukturen hat es in allen Religionen der Welt immer wieder gegeben und sie sind gerade im Christentum von Beginn an praktiziert vor. Aber natürlich wurden sie auch in totalitären politischen Systemen praktiziert, in Formen von politischer Umerziehung durch Zwangsinternierung und Demütigungsrituale, bei denen sich die Opfer sogar so weit unterwarfen dass sie ihre eigene Hinrichtung als im Interesse der Partei stehend bejahten. Die kreative Form der Dreierbeziehung, bei der das, was Wahrheit ist, hin und her bewegt wird, wird so zu einer totalen Abhängigkeit. Gott, der mich ergreift und von dem ich letztlich immer schlechthin abhängig bin, verhindert die Ausbildung einer stabilen Identität und selbstbewussten intakten Persönlichkeit.

Kommt es in einer Dreierbeziehung zu Kritik des einen an dem anderen, so hängt es von den jeweiligen Machtverhältnissen ab, wie sie sich auswirkt. Klassisch ist das Beispiel des Vaters, der seinen Sohn wegen eines spezifischen Verhaltens zur Rede stellt. Stuft der Sohn sich selbst als machtlos ein, wird er die Kritik ungefragt übernehmen und sein Selbstbewusstsein beschädigen. Existiert jedoch eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Vater, dann kann selbst die Übernahme der Kritik nichts Negatives bewirken sondern im Gegenteil zu einem Zuwachs des Verhaltensspektrums des Sohnes führen.

Allerdings muss man sehen, dass das bloße Sich – Bewegen in einer Dreierstruktur mit Gott auf keinen Fall notwendigerweise zu einer Doppelbindung führt, denn sie hängt zum einen an der Wahrnehmung Gottes als eines willkürlich agierenden Despoten und zum anderen an der Ausschaltung der Rolle des anderen Menschen. Doppelbindungen sind im Kern Zweier – Beziehungen. Sobald eine dritte Person als Träger eigenen Rechts auftritt und von mir entsprechend imaginiert wird, relativiert dies zwangsläufig die Megamacht Gottes. Wenn mir klar wird, was ein autoritäres politisches System nicht nur mit mir sondern mit all den anderen Menschen macht, wie es sie alle missbraucht und abschlachtet, beeinträchtigt dies meinen Glauben an die Autorität und ermutigt möglicherweise zum Widerstand..

Interessant ist nun, dass die Tochter des Entdeckers des Doppelbindungssyndroms, Gregory Bateson, Mary-Catherine Bateson in dem mit ihrem Vater postum veröffentlichten wunderbaren Buch „Wenn Engel zögern. Unterwegs zu einer Epistemologie des Heiligen.“ (Deutsch, Frankfurt am Main 1993) die Idee entwickelt, dass Doppelbindungen der lebendigen Welt insgesamt immanent sind . Und mehr noch: „Die Paradoxe der Religion (die für Religion typisch ist, GW) mögen die Metaphern gewesen sein, die es möglich machten, in einem double bind zu leben.“ Religion würde dann geradezu als eine Art Therapie für bestimmte Verzerrungen oder Pathologien in der Kommunikation unter Menschen wirken können – und zwar dadurch dass sie paradoxe Beschreibungen der Erfahrungen mit sich führt. Sie wäre dann eine Art Spiel mit verschiedenen Typen und Kontextverschiebungen, „das bewusste Streben nach Offenbarung in der Widersprüchlichkeit und den direkten Angriff auf Zweck Denken und Zeitempfinden.“ All das deutet sie nur an. Es reizt zum Weiterdenken, weil es eine Auseinandersetzung mit Religion impliziert, „die Begrenzungen der Erkenntnis, die unumgängliche Lücken in jeder Beschreibung, die durch Rekursivität erzeugten Paradoxe“ zum Thema hat.