Sonntags
Sonntags
In der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments ist die Sache vollkommen klar: die Arbeitswoche Gottes dauert sechs Tage und am siebten ruht er sich von seiner Arbeit aus. Und so hat sich die Zeitordnung der (christlichen) Welt dann auch herausgebildet: sechs Tage lang wird gearbeitet und der Sonntag ist dann der letzte Tag der Woche in dem man legitimerweise von allem abschlafft, sich erholt und neue Kraft für die neue Arbeitswoche schöpft. Das alttestamentliche Sabbatgebot ist auf diese Weise vollkommen problemlos auf den christlichen Sonntag übertragen worden – und dies obwohl doch der Sonntag den Sabbat in seiner Bedeutung eigentlich abgelöst hat.
Christen feiern nicht mehr den Sabbat als den Ruhetag nach Beendigung der Arbeit sondern den Sonntag, den Tag der Auferstehung des Herrn, als Beginn der neuen Woche. Dezidiert geht es hier also nicht mehr darum, an diesem Tag legitimerweise abzuschlaffen und nichts zu tun, sondern sich an diesem Tag der kreativen Kraft Gottes zu vergewissern um von daher, erneuert, erfrischt und gestärkt, wieder an die Arbeit zu gehen. Die Funktion, für die Auferbauung des Menschen zu sorgen, ist folglich auch im christlichen Sonntag impliziert – und sie soll diesen Tag auch darin prägen, dass er besonders festlich und fröhlich gestaltet wird. Aber es ist denn doch ein gewaltiger mentaler aber auch ganz realer Unterschied, ob es hierbei um das Ende der letzten Woche oder den Anfang der nächsten Woche geht.
Der Unterschied besteht darin, mit welcher Haltung man an seine Arbeit gehen kann. Der heute herkömmliche Zugang – der allerdings nicht mit der Sabbatpraxis der Juden zu verwechseln ist – folgt der materialistischen Leistungslogik unserer Zeit. Man muss arbeiten, damit man sich einen Lebensunterhalt aufbaut, damit man überhaupt in einer angemessenen Form leben kann. Und damit das auch funktioniert braucht es hin und wieder Pausen, in denen man sich erholt, um dann wieder in die Tretmühle hineingehen zu können. Der Sonntag hat in dieser Logik im Grunde genommen keine eigene wirkliche Wertigkeit sondern bezeichnet nur eine spezifische Funktionsstelle der sich immer weiter drehenden und beschleunigenden Gesellschaft. Hinter dieser Logik, und sie immer weiter antreibend, steht die fundamentale Angst, in irgendeiner Weise ungesichert zu sein oder zu wenig abzubekommen. Der Antrieb zur Arbeit ist solche existenzielle Angst. Sie wird heute häufig durch hochattraktive moderne Arbeitsformen und Arbeitsinhalte überlagert, die auf dem hohen Wohlstand der westlichen Gesellschaften aufliegen. Aber das kann die Grundstruktur nicht aushebeln, auch wenn sich die Menschen an sie gewöhnt haben und ihr immer wieder Sinn abgewinnen. Sie müssen es, weil sie sonst nicht gut arbeiten können.
Wenn man jedoch den Sonntag als den ersten Tag der Woche mit der Reaktualisierung der Auferstehung des Herrn beginnt dann beginnt die Arbeit nicht aus der Angst heraus sondern aus dem Geschenk der Erneuerung des Lebens, wie es aus Gottes Handeln heraus erwächst. Deutlich ist dann, dass das Leben nicht aus unseren Aktivitäten heraus zu sichern ist, ja nicht einmal aus ihnen erwächst, sondern letztlich ein Geschenk darstellt, das uns anvertraut ist. Unsere Arbeit resultiert dann aus diesem Geschenk. Sie erfolgt aus Berufung und nicht aus Angst. Sie erfolgt, weil es dazu eine Bevollmächtigung Gottes gibt: wir arbeiten aus der Vollmacht und der Kraft Gottes. Der Sonntag als Beginn der Woche stiftet auf diese Weise eine Haltung der kreativen Passivität, wie es Eberhard Jüngel einmal zu den Sakramenten ausgedrückt hat. Das wichtigste fällt uns zu und aus dem was uns zufällt, können und sollen wir in unserer Arbeit etwas machen, für uns selbst und für andere.
Bezüglich dieser Haltung ist immer wieder kritisch angefragt worden, ob sie über ihre Passung zu landwirtschaftlichen und handwerklichen Tätigkeiten hinaus denn überhaupt noch mit modernen industriellen oder dienstleistungsbezogenen Tätigkeiten konform gehen würde. Diese Kritik hängt darum, dass sich in einer durchgetakteten, industriellen Arbeitswelt Gott überhaupt nicht mehr erfahren ließe und alles tatsächlich von der Beherrschung seiner selbst abhängt. Mir scheint die Frage heute demgegenüber aber umgekehrt zu sein: ob nicht eine wirklich humane Arbeit diesen alten Vorstellungen wieder entsprechen muss. Umgekehrt wird also aus dieser Kritik ein Schuh: nicht ob der moderne Arbeiter überhaupt noch etwas mit Gottes Berufung anfangen könne – sondern ob die moderne Arbeitswelt Gottes Auftrag noch entspricht ist die entscheidende Frage.