Teil des Ganzen sein

Teil des Ganzen sein

Es klingt alles kitschig und banal: ein abendlicher Sommerspaziergang am Waldrand und der Blick auf die von dem Licht der untergehenden Sonne verzauberte Landschaft. Aber auch eine winterliche Nachtfahrt im Auto im Schneegestöber bei Sturm und Eis. Oder gar eine Andacht auf einem Gipfel der Alpen unweit vom Montblanc morgens kurz vor dem Sonnenaufgang und man singt gemeinsam: „Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn!“ Ein Spaziergang am Ufer der Ostsee mitten in der Nacht bei völliger Klarheit des Himmels unter dem Licht von Millionen von Sternen, ganz hinten sieht man einige Schiffe. Oder: ich stehe auf einer Düne inmitten von vielen anderen in einer der ältesten Wüsten der Welt, der Namib. Usw. usw. wenn man einmal anfängt solche atmosphärischen Naturerlebnisse zu erzählen, kann man gar nicht mehr aufhören und nur noch staunen.  Als besonders eindringlich habe ich immer wieder Situationen inmitten einer gigantischen Natur, insbesondere an Ostafrikanischen Grabenbruch, erlebt – allein aber überhaupt nicht gefährdet. Allem ausgesetzt aber doch tief drinnen das Gefühl: Mir kann nichts passieren.

Es ist seltsam: nichts bedroht Menschen so sehr wie die Kräfte der Natur, zumal dann, wenn sie ihr allein und einsam gegenüberstehen. Und doch erleben sie gerade solche Situationen fast überwiegend als zutiefst beglückend. Sie spüren sich dann als leiblich in diese gigantische Umgebung integriert, als einen lebendigen Teil davon, als Teil von etwas viel Größeren, das sie  nicht selber sind und dass sie auch nicht geschaffen haben zu dem sie aber dazu gehören und deswegen unverwundbar sind. Das ist vollkommen fiktiv: nichts an diesem Gefühl ist auch nur im Ansatz real. Es ist sicherlich auch kulturell bedingt, eine Folgewirkung der romantischen Bewegung. Caspar David Friedrich.

Das Vorteilhafte eines ganzheitlichen Naturlebens besteht darin, dass es alles umfasst und nichts ausgrenzt – auch Tod und Sterben nicht. Anders ist dies aber in der Regel in sozialen bzw. kulturellen Situationen. Hier stellt sich das beruhigende Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein, oftmals nur dann ein, wenn es einen Gegner oder einen Feind gibt, gegen den eine Einheit sich zusammenschließt. Auch dies kann natürlich ausgesprochen positiv dann sein, wenn der Feind eindeutig das Böse ist. Sehr eindrücklich wird diese Erfahrung deswegen oft in Hollywoodfilmen inszeniert. So zum Beispiel in den berühmten Film: „Die Verlegerin“, in dem es um die Publikation der Pentagonpapers seinerzeit in der „Washington Post“ geht. Die Zeitung geht mit der Herausgabe dieser Geheimpapiere ein enormes existenzielles Risiko ein, wird aber am Ende durch das Urteil des höchsten Gerichts der USA zu ihren Gunsten vollkommen gerechtfertigt. Mit dem Verlesen seiner berühmten markanten Sätze, demgemäß die Presse dem Volk und nicht der Regierung zu dienen hätte, wird der Kampf der Zeitung als Teil eines Kampfes für Freiheit Demokratie und Humanität gegen eine tendenziell despotische Regierung geheiligt. Und ebenso die Gefühle der Zuschauer.