Gott tanzen
Gott tanzen
Immer wieder ist das Sich – Bewegen im Kontext der Anwesenheit Gottes als Tanzen beschrieben worden. Das ist eine von vornherein ausgesprochen faszinierende Sicht auf das Verhältnis zu Gott als es hierbei um eine ganzheitliche körperliche Haltung geht, die vor allem nicht in ein vorher und nachher zu unterscheidende Intentionalität zu reduzieren wäre. Wer tanzt der reagiert unmittelbar körperlich auf die Musik und setzt sie in seinem Verhalten um. Allein dies ist schon eine sehr angemessene Metapher auf das Verhältnis des Menschen zu Gott. Wobei man bei diesem Tanzen nicht nur an wohltuende Szenen in der Disco denken sondern gerade auch Formen eines existenziellen rituellen oder auch künstlerischen Tanzens in den Blick nehmen kann, in dem nicht nur körperliches Ausagieren als solches gelebt wird, sondern gerade auch Leiden, Verwundung, Irritation und Scheitern zum Ausdruck kommt. Gerade solches Tanzen öffnet unseren Erfahrungswelten hin zum Erleben von Erlösung.
Zuletzt hat Daniela Feichtinger in einem sehr schönen Plädoyer für die Bedeutung der subjektiven Erfahrung als Quelle für die Theologie den Exegeten als Tänzer porträtiert. Zwar benötigt ein biblischer Text natürlich wissenschaftliche Interpretation aber er braucht ebenso die Offenheit für eine Begegnung, „die Fähigkeit, den Rhythmus zu fühlen und sich dem Tanzpartner anzupassen“ . Damit wird der biblische Text quasi zu einer Art Partitur für etwas, was es auszuleben bzw. aufzuführen gilt. Folglich geht es nicht darum solch ein Text intellektuell zu verstehen – ohne, dass es gilt hierauf zu verzichten – sondern ihn quasi zu „artikulieren“.
Es ist ausgesprochen spannend zu sehen, wie die Metapher des Gotttanzens in moderner Popmusik interpretiert worden ist. Es existieren in dieser Hinsicht mindestens zwei Songs mit dem Titel „God is a DJ“ von Faithless und Pink. Im ersten wird „My Church“ besungen als der Ort wo meine Verwundungen geheilt werden und mein Leben in Form kommt; wo Feinde Freunde werden und Bitterkeit endet: „This is where I heal my hurts. It’s the world I’ve become. Contained in the hum, between voice and drum. It’s in the change. The poetic justice of cause and effect. Respect, love, compassion.“ Und dann heißt es: „God is a DJ for tonight. God is a DJ. This is my church“. Weiter wird dieses Bild in diesem Lied nicht entfaltet aber es ist deutlich wie sehr das Ganzheitliche der Tanzszene in der Disco den Hintergrund für das Bild einer heilenden Kirche abgibt. Bleibt offen ob hiermit eine reale Kirche gemeint ist oder die Sänger sich ihre Kirche imaginieren.
Sehr viel breiter ausgearbeitet findet sich das Bild von Gott als dem DJ dann in dem ungleich bekannteren Lied von Pink, in dem der Refrain lautet: „If God is a DJ, life is a Dance-Floor, Love is the rythm, you are the music.“ Erzählt wird von einem faszinierenden unangepassten Mädchen aus der Unterschicht, „been the outcast never running with mascara eyes“. Ihr scheint alles egal zu sein ob Liebe oder Hass, „fuck you“. Aber sie sucht nach etwas anderem, „a new life style“, nirwana, und das volle Leben. Wickipedia: „It is about letting go, loving life, and living it to the fullest.“ Das Video inszeniert das Mädchen auf ihrem Weg in die Disco, sexy, orgienmäßig. Das Lied endet: „you get, what you‘re given it’s all how you use it.“
Klar: Hier geht es eigentlich weniger um den Gott, den man kennt und von dem nunmehr ein Bild als DJ gezeichnet wird. Es geht nicht um ein Gleichnis, nicht darum Gott im Sinne christlicher Verkündigung irgendwie plausibel zu machen. Nein: es geht um das volle Leben der jungen Menschen, einer Generation, als das reale Leben in einer Disco. Die Atmosphäre der Disco wird gefeiert als eine Welt in Fülle und dies wird durch die Metapher des Gottes als DJ geheiligt. Tatsächlich wird das Gottesbild auf den real wirkenden Discjockey übertragen. Die Kirche um die es bei Faithless geht ist nichts anderes als die Disco. In ihr werden die Leiden geheilt und aus Feinden werden Freunde. So sehr hier Gott als der DJ verstanden wird zu sehr wird im Grunde genommen der reale DJ vergottet. Gleichwohl wird das Bild im Refrain auf das Leben übertragen: das Leben ist ein Tanzboden, Liebe ist der Rhythmus und du bist die Musik. Irgendwie übersteigt dieses Bild denn doch die Realität der Disco und verklärt die real erlebte Welt jungen Menschen. Gott legt die Platten auf aber wir sind die Musik und tanzen.