„Begrüßen, was mir widerfährt“
„Begrüßen, was mir widerfährt“
Unter diesem Titel fand ich 2018 zufällig ein Seminarangebot der Evangelischen Erwachsenenbildung in Karlsruhe zum Bildungsverständnis von Karl Ernst Nipkow. Ein kurzer Text erklärt worum es geht: „Ausbilden und formen, sich entwickeln und entfalten, sich selbst bilden und durch ‚Widerfahrnisse‘ verändert werden.“ „ ‚Widerfahren‘ lenkt den Blick auf die Tatsache, dass auch Ungeplantes, Unverfügbares, Unerwartetes und Unverhofftes ‚bildet‘, sei es willkommen, lästig oder gar erschütternd.“ Eine faszinierende Einladung in ein umfassendes Bildungsverständnis, dem es nicht um abgeschlossene Qualifizierungsprozesse geht, sondern um die Ausbildung eines offenen Zugangs zur ganzen Wirklichkeit – inklusive allen ihrer Abgründe.
Warum kann ich all das begrüßen, was mir widerfährt? Warum kann ich selbst das widersinnige Absurde, vielleicht das Böse, annehmen? Kann ich es denn überhaupt? In den meisten Fällen werde ich mich von solchen Begegnungen abwenden, ihnen nicht standhalten, und vor ihnen fortlaufen. Was mir widerfährt – also was gegen mich in meinem Leben aufläuft – kommt mir in die Quere und stört meine Pläne. Ich kann das, was ich mir vorgenommen habe, gerade nicht zu Ende bringen, sondern muss es aufschieben oder gar aufgeben, weil da jetzt auf einmal etwas anderes im Vordergrund steht.
Aber es läuft tatsächlich andersherum: Das was mich stört, ist mein Freund. Und das gilt in beiderlei Richtung: das Störende wird mir zum Freund, weil es meinem Leben eine neue Richtung verleiht – und es ist eben mein Freund, der mich stört, weil er weiß, dass ich mich von ihm stören lasse. Das Fremde, das andere wird freundlich. Das ist so, weil in aller Wirklichkeit Gott begegnen kann. Was für eine Weite! Was für eine Vision!